Sechs Millionen Männer
unterschiedlicher Herkunft, Bildung, Berufe, Rassen und Religionen
gehören dem Bund der Freimaurer weltweit an, gleich und einig nur
im Streben nach innerer Reifung und Selbstvervollkommnung im
humanitären Sinne: Eine Gemeinschaft "ungleicher Gleichgesinnter".
Ihre ,,Ungleichheit'' bedeutet zudem, daß es so viele
Definitionen von Freimaurerei gibt, wie es Freimaurer gibt, und es
besagt ebenfalls, daß Freimaurer die Meinungen anderer gelten
lassen, daß Toleranz untereinander und gegenüber der
Außenwelt, außerhalb der Loge, eines ihrer obersten Gebote
ist.
Freimaurerei kennt keine Dogmen, und Freimaurerei vertritt als
Organisation für Ihre Mitglieder keine Standpunkte zu politischen
oder religiösen Fragen. Sie ist vielmehr ein Institut der
Selbsterziehung, das seine Mitglieder durch verschiedene logeninterne
Veranstaltungen oder Handlungen immer wieder auf gewisse Grundregeln
der Menschlichkeit und der Aufrichtigkeit, der Toleranz und der
Brüderlichkeit, aber auch auf die Verpflichtung hinweist,
außerhalb der Loge im Sinne dieser Grundregeln zu handeln, also
gewissermaßen nach außen auszustrahlen, was im Innern
gewachsen ist.
Aus diesen Umschreibungen läßt sich bereits ersehen,
daß Freimaurerei nichts ist, was ganz präzise definiert
werden kann, wie etwa eine berufliche Interessenvereinigung, ein Sport-
oder ein Kunstverein. Vorweggenommen werden soll allerdings schon an
dieser Stelle eine ganz eindeutige Aussage: Freimaurerei ist keine
kirchenähnliche Einrichtung und kein Kirchenersatz.
Was ist Freimaurerei ?
Einige berühmte Männer, die Freimaurer waren, haben es so
beschrieben: Goethe in einer 1821 gehaltenen Logenrede (er war Mitglied
in der Weimarer Loge "Anna Amalia zu den drei Rosen" , die wie alle
deutschen Logen durch die Nazis verboten wurde und dies auch unter dem
SED -Regime blieb, inzwischen aber nach der Wiedervereinigung zu neuem
Leben erweckt wurde) : "Unser Bund hat viel Eigenes, wovon
gegenwärtig nur das eine herausgehoben werden mag, daß,
sobald wir uns versammeln, die entschiedenste Art von Gleichheit
entsteht... Jeder bescheidet sich in würdiger Gesellschaft, in
Betracht allgemeiner Zwecke auf alles Besondere Verzicht tun." Goethe
weist damit in der Sprache und Ausdrucksweise seiner Zeit darauf hin,
daß der Freimaurer gewissermaßen an der Logentür
Titel, Rang oder Stand ablegt und nur Bruder unter Brüdern ist.
Daß alle Brüder sich in völliger Gleichheit begegnen.
Im Freimaurerlexikon der Autoren Lennhoff und Posner aus dem Jahre
1932, neu aufgelegt 1980, wird das freimaurerische Symbol der
Wasserwaage so beschrieben: "Sie bedeutet in der freimaurerischen
Symbolik die Gleichheit, das gleiche Recht, die gleiche Würdigkeit
aller, die Unterodnung der Vorrechte der Geburt, des Standes oder des
Besitzes unter das reine Menschentum. Sie versinnbildlicht auch den
sozialen Ausgleich..."
Friedrich der Große sagt in einer Kabinettordre vom 7 . Februar
1779, "... daß ich immer mit Vergnügen an dem Glück und
der Wohlfahrt einer Gesellschaft (gemeint ist die Freimaurerei oder die
Loge) teilnehme, die, so wie diese, ihren Ruhm in die
unermüdliche, unausgesetzte Verbreitung aller Tugenden setzt, die
den rechtschaffenen Mann und wahren Vaterlandsfreund bilden" .
Friedrich der Große wurde durch das persönliche Beispiel und
durch die Vermittlung von Albrecht Wolfgang, regierender Graf zu
Schaumburg-Lippe, 1738 zum Freimaurer aufgenommen.
Gotthold Ephraim Lessing, dessen Werk eindeutig freimaurerische
Züge tragt - nicht nur in den lesenswerten Gesprächen
für Freimaurer "Ernst und Falk" - sagte : ,,Freimaurerei ist
nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas
Notwendiges, das im Wesen der Menschen und der bürgerlichen
Gesellschaft gegründet ist." Hierbei klingt schon etwas an, das
ich besonders herausstellen möchte: Freimaurerei erhebt keinen
Alleinanspruch auf ihre Zielvorstellungen.
Vielmehr geht es in der Freimaurerei um etwas, was jedermann für
sich allein tun könnte. Man muß nicht Freimaurer sein, um
tolerant, menschlich, hilfsbereit und brüderlich zu sein und nach
dem ,,Guten'', nach menschlicher Reife zu streben. Aber der Einzelne
tut sich sehr viel schwerer, in diesem Sinne während seines Lebens
ganz allein vorwärts zu kommen, zu reifen, sich möglichst
weit zu vervollkommnen. Im Kreise Gleichgesinnter erfährt man
ständig neue Anregungen, durch die freimaurerische Symbolik und
durch Rituale bei bestimmten Zusammenkünften wird man immer wieder
aufs neue darauf hingewiesen. Letztlich ist Freimaurerei auch insofern
Lebenshilfe, als wir gemeinsam auf der Suche nach dem Sinn dieser Welt
und unseres Daseins sind, wohl wissend, daß wir immer Suchende
bleiben werden. Trotzdem bleibt der Freimaurer doch immer
Individualist; was heißen soll, daß das, was ich eben
darzustellen versuchte, nichts dogmenähnliches ist. Geistige
Freiheit steht obenan.
Kaiser Friedrich III., der wegen seines Kehlkopfleidens nur 99 Tage im
Jahre 1888 regierte, sagte in bezug auf sich selbst über die
Freimaurerei: "Für mich war sie mit eine Quelle, das mir
auferlegte Leid in Ergebenheit gegen den Willen Gottes zu tragen." Und
ganz allgemein sagte er über die Freimaurerei, der er 28 Jahre
angehörte : "Zwei Grundsätze bezeichnen vor allem unser
Streben : Gewissensfreiheit und Duldung.''
Franz Carl Endres, freimaurerischer Schriftsteller - Anfang des
Jahrhundert als deutscher Generalstabeschef in türkischen
Diensten, sagt in seinem sehr lesenswerten, heute noch in Neuauflagen
erhältlichen Buch „Das Geheimnis des Freimaurers":
„Aufgabe der Freimaurerei (ist), der Gemeinschaft zeigen, was sie
dem Individuum schuldet, und dem Individuen zheigen, was sie der
Gemeinschaft schulden".
Ursprünge der Freimaurerei
Die Freimaurerei hat ihren Ursprung, so sagt es die wohl am besten
begründete Geschichtstheorie, in den alten Bauhütten der
Kirchenbauenden Bruderschaften, bruderschaftlichen Vereinigungen erst
geistlichen, später weltlichen Charakters, die je nach dem zu
bearbeitenden Objekt oder Bauplatz ihren Wohnsitz veränderten und
durch die internen, nach außen geheimgehaltenen
Bauhüttengebräuchen verbreiten.
Die Kirchenbaumeister beherrschten vor vielen Jahrhunderten bereits die
hohe Baukunst riesiger Kirchenbauwerke. Verständlich, daß
sie ihre Baumeister- „Geheimnisse" vor Fremden geheimhalten
wollten, und verständlich auch, daß sich in jenen
Bauhütten über die Jahrhunderte hinweg Gebräuche und
Rituale entwickelten ebenso wie geheime Erkennungszeichen, die
verhinderten, daß Fremde als angeblich in ihre Geheimnisse
Eingeweihte in die Bauhütte eindrangen und somit diese Geheimnisse
ihres Baumeisters, zum Beispiel in Geometrie oder Statik, erfuhren.
Untereinander tauschten sich die Bauhütten allderdings auch
vielfach aus, und hier standen die deutschen Bauhütten in enger
Verbindung mit denen in England. Da schon in den Baukolegien der
Römer un in den Verbänden der Comacini, lombardische
Bauhütten, Gebräuche entwickelt wurden, die sich aus dem
Zusammenleben einer Gruppe von Menschen mit gleichen Berufszweck von
selbst ergeben, so sind in diesen alten Bauhütten
gebräuchlichen sehr alte Bestandteile mitverarbeitet, ohne
daß dies im einzelnen genau nachzuweisen wäre. Denn
schriftlich festgehalten wurden damals soche Geheimnisse nicht, sondern
nur innerhalb der Bauhütten von Mund zu Mund überliefert.
Diese Bauhüttentradition geht also direkt auf die Steinmetzen- und
Kirchenbauhütten und ihre Gebräuche zurück. Von dort
stammen die symbolischen Ausdrücke, die freimaurerische
Terminologie.
Als die Kirchenbauten, die Errichtung großer Dome und Kathdralen
weniger wurden und dann so gut wie ganz aufhörten, setzte sich die
Tradition der „Werkaumer", jener Steinmetzen und Kirchenbauer der
Bauhütten, auf besondere Weise fort: Diese Bauhütten hatten
zuvor schon Männer, die nicht Bauberufen angehörten, meist
Mäzene, Adlige oder in anderer Weise herausragende Männer, in
ihren Bauhütten als Mitglieder „angenommen, -als
Ehrenmitglieder, würden wir heute vielleicht sagen. Männer,
die den geistigen Gehalt jener Symbolik, und Rituale der
Bauhütten, wie er sich im Verlaufe von Jahrhunderten aus den
eigentlichen Bausymbolen entwickelt hatte, erkannten und
würdigten. Ich nenne hier einmal den rechten Winkel als Symbol
für stets rechtes (,,winkelgerechtes'') Handeln oder die Wasser-
oder Setzwaage als Symbol dafür, daß alle Menschen
grundsätzlich gleich sind, sich auf gleicher Ebene begegnen sollen.
Je mehr die Bautätigkeit abnahm, um so mehr nahm auch die Zahl der
Werkmaurer ab, und die Zahl der "angenommenen" Maurer, der
,,spekulativen'' Maurer, zu. Schließlich gab es in den
Bauhütten gar keine Werkmaurer mehr, und sie nannten sich Logen,
englisch Lodges, ein Wort, das vom lateinischen logia oder logium
für Wohnhaus stammt. Sitten und Gebräuche, Symbolik und
Rituale und deren aus der Steinmetz- und Kichenbaukunst stammenden
Sprache und Ausdrücke blieben jedoch erhalten, ebenso die
Erkennungszeichen und -worte aus jenen Zeiten. Desgleichen das, was man
als Außenstehender als ,,Rangstufen'' in der Freimaurerei
bezeichnen würde: Man wird zum Freimaurerlehrling aufgenommen,
nach meist einem Jahr zum Freimaurergesellen befördert und nach
einem weiteren Jahr zum Freimaurermeister ,,erhoben'' . Aber diese
Stufen haben lediglich symbolische Bedeutung. Sie sollen die Reifung
des Menschen von der Geburt bis zum Tode symbolisieren und
außerdem dem Neophyten in der Zeit bis zur Erreichung des
Meistergrades durch gesonderte Unterweisungen ein tieferes Eindringen
in die Freimaurerei ermöglichen. Logenmitglied mit allen
Mitgliedsrechten und Pflichten ist der Freimaurer jedoch sogleich mit
seiner Aufnahme, nur kann er vor Erreichung des Meistergrades noch
keine Ämter bekleiden.
Wer kann Freimaurer werden ?
Jeder Mann kann ohne Rücksicht auf seine Religion, Hautfarbe,
Beruf, Bildungsgrad oder gesellschaftliche Position Freimaurer werden.
Die Freimaurer haben so etwas wie ein ,,Grundgesetz'', das von allen
regulären Logen anerkannt werden muß, die 1722 von dem
englischen Freimaurer, Reverend James Anderson, heute von uns kurz
"Alte Pflichten" genannten ,,Constitutions of the Free-Masons,
containing the History, Charges, Regulations etc. of that most Ancient
and Right worshipful fraternity'' .Danach kann Freimaurer werden, wer
ein "freier Mann von gutem Ruf" ist, wobei das Wort ,,frei'' heute in
übertragenem Sinne gesehen werden sollte: Frei von Vorurteilen,
aber auch frei von Bindungen, die verhindern, daß er frei und
selbständig denken und handeln kann.
Dies gilt, was die Bindung betrifft, nicht für die
Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, sofern
ihm diese nicht verbietet, Freimaurer zu sein. Dazu heißt es in
jenen "Alten Pflichten" unter der Überschrift "Von Gott und
Religion". "Der Maurer ist durch seinen Beruf verbunden, dem
Sittengesetz zu gehorche, und wenn er seine Kunst recht versteht, wird
er weder ein dummer Gottesleugner noch ein Wüstling ohne Religion
sein".
Und weiter heißt es: "Aber obgleich in alten Zeiten die Maurer
verpflichtet waren, in jedem Lande von der jedesmaligen Religion des
Landes oder der Nation zu sein, so hält man doch jetzt für
ratsam",- und nun kommt eine Formulierung, die auch für heutige
Zeiten als unübertreffbar in ihrer toleranten, zugleich aber
präzisen Art anzusehen ist, "so hält man doch jetzt für
ratsam, sie bloß zu der Religion zu verpflichten, in welcher alle
Menschen übereinstimmen...". Das heißt im übertragenen
Sinne, der Freimaurer sollte ein Mann sein, der nicht so vermessen ist,
seine Existenz auf menschliche Allmacht oder nur auf
chemisch-biologische Entstehungsursachen zurückzuführen,
sondern anerkennt, daß es noch irgendeine höhere Kraft oder
Dimension außerhalb von uns oder Über uns gibt, deren
verstandesgemäßes Erfassen uns versagt ist.
Vorurteile über die Freimaurerei
Mißverständnisse in bezug darauf, daß Freimaurerei
nichts kirchenähnliches und schon gar nicht etwa ein Kirchenersatz
ist, gibt es manchmal dadurch, daß der Ort, meist ein Saal in
unserem Logenhaus, in dem unsere rituellen Zusammenkünfte
abgehalten werden, ,,Tempel'' genannt wird. Daß dies nichts mit
Kirche zu tun hat, ist leicht erklärt: Wir sagen in der alten
Sprache unserer Gründerzeit, die sich auch in den Ritualen
wiederfindet - daß wir als Freimaurer am Tempel der Menschheit ,
am Tempel der Humanität, bauen. Wir verstehen uns Freimaurer in
solcher Symbolik als Bausteine für jenen Tempel der
Humanität. Als Bausteine, die zunächst noch ungeformt und
rauh sind, die wir jedoch durch Selbsterziehung - eben auch und gerade
in der Loge - so ,,behauen" möchten, daß sie als rechte
Bausteine in jenem Tempel verwendet werden können. Wir nennen
diese Art von Selbsterziehung die "Arbeit am rauhen Stein".
Ein weiteres Vorurteil gegenüber der Freimaurerei besagt, sie sei
ein Geheimbund und betreibe dunkle Machenschaften, wie es etwa die
Nationalsozialisten oder auch Erich und Mathilde Ludendorff, die
Freimaurerhasser par excellence, behaupteten. Vorwegzunehmen ist,
daß natürlich die Freimaurerei jeglichem totalitaren Regime
ein Dorn im Auge sein muß, auch jeglichen religiösen
Instanzen, die für sich das Recht der alleinigen Gültigkeit
in Anspruch nehmen. Sie sind sozusagen geborene Gegner der
Freimaurerei, die ja auf dem Grundprinzip freier Religionsausübung
und Toleranz gründet. Die Behauptung, die Freimaurerei sei ein
Geheimbund und sie verfüge über ein Geheimnis oder über
Geheimnisse, die Außenstehenden verborgen bleiben, ist jedoch in
dem Sinne, in dem es gemeint ist, ganz und gar haltlos. Gewiß,
wir haben Rituale und Symbole, Erkennungszeichen und -worte. die wir
keinem Außenstehendem sagen würden, die aber jeder
Außenstehende in jeder größeren Bibliothek nachlesen
kann.
Wo also liegen die Geheimnisse oder das Geheimnis der Freimaurerei? In
weiter nichts als dem Erlebnis. Dem Erleben der Rituale und Symbole
während unserer monatlich einmal abgehaltenen ,Tempelarbeiten'',
im Erleben der Brüderlichkeit, im Erleben des Einsseins im
gemeinsamen Streben. Erlebnisse aber kann man nicht verraten, kann man
auch durch noch so gute Beschreibungen als Außenstehender nicht
nachempfinden. Sie sind es, die nun schon seit fast drei Jahrhunderten,
auf den genannten Grundlagen der Freimaurerei aufbauend, das Wesen und
die Wirkung der Freimaurerei auf das einzelne Mitglied ausmachen, es
immer wieder anregen, an sich selbst zu arbeiten und es damit formen
und reifen lassen, wenn das Mitglied es ernst nimmt mit seinem eigenen
Wollen nach Selbstvervollkommnung, soweit diese auf dieser Welt
möglich ist.
Soviel also über das sogenannte Geheimnis der Freimaurerei. Aber
es sind eigenartigerweise selbst in unserer heutigen aufgeklärten
Gesellschaft noch weitere, absurde Gruselgeschichten über die
Freimaurerei verbreitet: Zum Beispiel, daß angeblich
jährlich in den Logen darüber gekugelt wird, wer in diesem
Jahr sterben muß oder aber - auf anderer Ebene-, daß eine
Weltverschwörung von Freimaurern und Juden - manchmal wird dazu
kurioserweise auch noch die Katholische Kirche genannt - für alles
Unglück auf dieser Welt, vor allem für die Kriege,
verantwortlich sei. Die heutigen Freimaurer, die jedermann in ihrer
jeweiligen Umgebung kennt, sollten allein schon die Gewähr
dafür bieten, daß Freimaurerei mit derartigen
Unterstellungen nichts zu tun hat. Dies erst recht, wenn wir an jene
Männer denken, deren Zitate eingangs angeführt wurden und die
unserem Bunde angehörten, Männer, deren Reihe ich beliebig
verlängern könnte. So sind allein in Hannover etwa hundert
Straßen nach Freimaurern benannt, wie es sich in einem kleinen
Büchlein unseres Logenbruders Heinz Kühne nachlesen
läßt, das allerdings leider vergriffen ist. Aber gegen jene
Verschwörungstheorie spricht noch sehr viel mehr. So heißt
es schon in jenen "Alten Pflichten" sehr deutlich: "Der Maurer ist ein
friedfertiger Untertan der bürgerlichen Gewalt, wo er auch wohnet
und arbeitet, und er muß sich nie in Meuterei oder
Verschwörung gegen den Frieden und die Wohlfahrt der Nation
einlassen, noch sich pflichtwidrig gegen die Unterobrigkeit betragen."
Schließlich ließe auch die Organisationsform der
Freimaurerei Verschwörungen, erst recht grenzüberschreitende,
überhaupt nicht zu.
Organisation der Freimaurer
Die Logen sind nicht nur eingetragene Vereine im Sinne des BGB, die
natürlich auch ihre Satzungen dem Amtsgericht vorlegen und von
diesem auch genehmigen lassen müssen. Darüber hinaus sind sie
auch in der freimaurerischen Organisation selbständig und
unabhängig. Die sogenannten ,,Großlogen'' in den einzelnen
Ländern sind föderalistische Zusammenschlüsse der Logen,
die von diesen, wie jede Dachorganisation, finanziert werden, aber im
übrigen mit wenigen Ausnahmen keinen direkten Einfluß auf
das Logenleben haben. Eine Ausnahme betrifft das Wachen der
Großlogen darüber, daß die Freimaurerei in den Logen
unverfälscht im Sinne jener "Alten Pflichten" betrieben wird. Das
ist deswegen wichtig, weil sicherlich nur so die Freimaurerei die
Zeiten Überdauert hat und auch weiter Überdauern wird, indem
sie sich nicht in allem und jedem dem jeweiligen Zeitgeist
anpaßt, sondern unverändert an ihren Prinzipien
festhält. Und wenn man sieht, daß die erste Großloge
in England vor 279 Jahren gegründet wurde und die älteste
hannoversche Loge "Friedrich zum weißen Pferde" 1996 ihr 250.
Stiftungsfest feiern konnte, dann erkennt man die Richtigkeit des
Festhaltens an jenen alten Prinzipien. Die alte und heute zunächst
etwas fremd anmutende Sprache, die sich teils auch noch in unseren
Ritualen wiederfindet, verlangt jedem Freimaurer noch mehr
Aufmerksamkeit ab als die Sprache, mit der wir täglich umzugehen
gewohnt sind.
Die Großlogen haben noch die weitere Aufgabe, den
bruderschaftlichen Verkehr der Logenmitglieder auch im jeweiligen
Ausland zu ermöglichen. Zu den schönsten Erlebnissen die man
als Freimaurer haben kann, zählt der Besuch anderer Logen, sowohl
in unserem eigenen Lande, als auch im Ausland. Es ist immer wieder
beeindruckend, wie man als Bruder in anderen Logen empfangen wird, mit
welcher Freude und Herzlichkeit. Reist man ins Ausland, so erfährt
man über die Großloge die in Frage kommenden Logenadressen
und wird von der Großloge auch meist dort avisiert, wo hin man zu
reisen gedenkt. Im Inland ist es noch viel einfacher: Alljährlich
wird ein "Kalender" herausgegeben, in dem alle Logen mit
Adressenangaben etc. verzeichnet sind. Hier in Niedersachsen und den
neuen Bundesländern haben wir es noch leichter, andere Logen zu
besuchen: Allmonatlich erscheint ein Nachrichtenblatt, in welchem die
sogenannten ,,Arbeitspläne", die Veranstaltungstermine von derzeit
80 Logen mit genauen Bezeichnungen der Art der Veranstaltungen,
angegeben werden. Ohne Anmeldung kann an allen Veranstaltungen aller
Logen jeder Freimaurer teilnehmen. Das gilt grundsätzlich für
die ganze Welt, für alle Länder, in denen es Freimaurerlogen
gibt. Diese Verbundenheit aller Logen und aller Freimaurer auf der Welt
nennen wir die „Weltbruderkette'' . Die Freimaurerei ist in allen
nicht totalitär regierten Ländern der Erde verbreitet.
Geschichtliche Entwicklung der Freimaurerei
Die Gründung der ersten Großloge in London durch vier Logen
erfolgte im Jahre 1722. Bis dahin hatte es nur einzelne Logen ohne
Zusammenschluß in England gegeben. Mit dem Zusammenschluß
dieser vier Logen zu einer Großloge (heute: ,,United Grand Lodge
of England'') begann ein neues Kapitel in der Geschichte der
Freimaurerei und wurde praktisch der Grundstein für die
nachfolgende, sehr schnelle Verbreitung über die ganze Welt
eingeleitet. Ihre Grundsätze Humanität, Geistesfreiheit,
Toleranz entstammten dem Geiste der aufkommenden Aufklärung.
Hervorragende Vertreter der Aufklärung waren Freimaurer: In
Frankreich Helvetius, d' Alembert, Holbach und Voltaire, im Deutschland
zur Zeit Friedrichs des Großen, in dem der Rationalismus des
Freimaurers Christian Wolff vorbereitend wirkte, der König selbst,
Lessing, Herder, Nicolai oder der Freiherr vom Stein, in
Österreich Ignaz von Born, Sonnenfels und andere. Es ist
sicherlich kein Zufall, daß des Freimaurers Wolfgang Amadeus
Mozart „Zauberflöte" den Kampf der Aufklärung gegen die
finsteren Mächte des überkommenen Dogmentums darstellt. Und
so ist auch zum Beispiel die Verfassung der Vereinigten Staaten von
Freimaurern geschaffen und nach freimaurerisch-demokratischen
Grundsätzen aufgebaut. Von ihren 59 Unterzeichnern waren 56
Freimaurer.
USA-Präsidenten wie Washington, Jefferson, Theodore Roosevelt oder
Truman gehörten dem Freimaurerbunde an. Mit etwa dreieinhalb
Millionen Mitgliedern ist die Freimaurerei in den USA auch die
mitgliederstärkste und verbreitetste innerhalb eines Landes auf
der ganzen Welt.
Der erste Nachweis freimaurerischer Arbeit in Deutschland ist die
Gründung der ,,Societe des Acceptes Masons Libres de la Ville de
Hambourg'' am 6. Dezember 1737. Diese Loge nahm später den Namen "
Absalom zu den drei Nesseln" an. In der Matrikel, in der alle deutschen
Logen in der Reihenfolge ihrer Gründung mit Nummern bezeichnet
sind, trägt diese Loge die Nummer 1 (,,Friedrich zum weißen
Pferde" = 19, ", Albrecht Wolfgang" = 448) . Die Matrikelnummern heute
neugegründeter Logen haben jetzt die Zahl 1.000
überschritten. Die Verbreitung der Freimaurerei in Deutschland
wurde wesentlich durch einen Mann gefördert, den ich schon im
Zusammenhang mit der Aufnahme Friedrichs des Großen
erwähnte, Graf Albrecht Wolfgang zu Schaumburg-Lippe. Er war auch
unmittelbar beteiligt an der Aufnahme des mit ihm befreundeten Franz
von Lothringen" des späteren Gemahls der österreichischen
Kaiserin Maria Theresia. Er selbst wurde 1723 als erster Deutscher und
zugleich als erstes Mitglied eines regierenden Hauses in London zum
Freimaurer aufgenommen.
In Niedersachsen wurde 1744 als erste Loge die Loge ,,Carl zur
gekrönten Säule" (Matrikelnummer 15) in Braunschweig
gegründet. Ihren Namen erhielt sie von ihrem Protektor, Herzog
Carl I., der ihr auch gestattete, die Säule aus seinem Wappen in
ihr Logenzeichen zu übernehmen. Bald danach verbreitete sich die
Freimaurerei in allen größeren Orten Niedersachsens. So
wurde als zweite in Niedersachsen 1746 die Loge "Friedrich zum
weißen Pferde" in Hannover gegründet. Ihre Gründer -
Offiziere, Kaufleute, Beamte - waren beseelt von sittlichem Optimismus
und begeistertem Idealismus für den freimaurerischen Gedanken
ebenso wie für die Ziele der Aufklärung. 1774 folgte die
Gründung der Logen "Zum schwarzen Bär" und "Zur Ceder'' . In
alten Mitgliederlisten dieser Logen finden wir berühmte Namen aus
Hannovers Geschichte wie Freiherr Knigge, von Wallmoden, von
Königstreu, Fürst von Hardenberg, von Ilten, von Reden,
Schlegel, von Spörken, Blumenhagen, Laves und viele andere.
Es war natürlich, daß sich auch junge Menschen in der
Universitätsstadt Göttingen zur Freimaurerei hingezogen
fühlten. Sie gründeten 1775 die Loge "Zum goldenen Zirkel",
heute, unter Hinzunahme des Universitätsnamens, " Augusta zum
goldenen Zirkel''. Auch in ihrer Ahnenreihe stoßen wir auf
bekannte Namen wie Gottlieb August Bürger, Johann Heinrich
Voß Christian Boie, die Grafen Stolberg oder Ludwig Hölty.
Im Jahre 1828 wurde unter dem Vorsitz des Herzogs Ernst August, des
späteren Königs, die Großloge des Königreichs
Hannover installiert. Ernst August war 1796 in England zum Freimaurer
aufgenommen worden. Er gehörte der Loge ,"Friedrich zum
weißen Pferde" als Ehrenmitglied an. Sein Nachfolger als
Großmeister wurde Georg V., König von Hannover: Seine
Aufnahme zum Freimaurer erfolgte am 14. Januar 1857 im Landschaftssaal
des Leineschlosses. Auf einer aus diesem Anlaß geprägten
Münze ist zu lesen: "Siehe, der Palast ist zur Bauhütte
geworden und die Bauhütte zum Palast". - Nach der Auflösung
des Königreichs Hannover im Jahre 1866 mußten sich die
niedersächsischen Logen einer preußischen Großloge
anschließen.
Bis zum ersten Weltkrieg gab es in den niedersächsischen Logen
etwa 4.000 Freimaurer. Die Logen engagierten sich - wie noch heute -
für karitative Zwecke. So finanzierten sie in Hannover zum
Beispiel ein Milchfrühstück in 18 Schulen, eine damals ganz
neue Einrichtung, die später von der Stadtverwaltung
übernommen wurde. Heute gibt es in Hannover neun Logen mit etwa
600 Mitgliedern.
Vor 1933 bestanden in den alten Reichsgrenzen Deutschlands 433 Logen
mit etwa 100.000 Mitgliedern. Mit der Machtübernahme durch Hitler
wurden bis 1935 die Logen geschlossen, die Freimaurerei verboten und in
der bereits angedeuteten Weise diffamiert. Dies so gründlich,
daß viel davon in manchen Köpfen hängegeblieben ist. So
war der Wiederaufbau der Freimaurerei, die Wiedergründung ihrer
Logen, mit einem Doppelten Handicap belastet, nämlich mit jener
Diffamierung und mit dem Ausfall einer halben Generation potentieller
neuer Mitglieder, die innerhalb dieses Zeitraumes nicht aufgenommen
werden konnten. Die dadurch bewirkte Überalterung ist heute
weitgehend überwunden. Wenn jungen Menschen die Freimaurerei in
der rechten Weise nahegebracht wird und sie sich dafür generell
interessieren, treten sie gern in eine Loge ein und fühlen sich
darin wohl.
Heute gibt es im Bundesgebiet einschließlich der neuen
Bundesländer wieder etwa 450 Logen mit annähernd 15.000
Mitgliedern. Gleich nach der Wiedervereinigung wurde damit begonnen,
Logen in den neuen Bundesländern wiederzuerwecken. Die Loge
"Friedrich zum weißen Pferde" bewirkte durch den Einsatz vieler
ihrer Brüder die Wiedergründung der ältesten Leipziger
Loge ,,Minerva zu den drei Palmen" (Matrikelnummer 7!).
Auch an der Neugründung der Loge "Drei Türme im Hopfenfeld''
(Matrikelnummer 1007) in Gardelegen im Jahre 1995 waren mehrere ihrer
Brüder beteiligt. In den neuen Bundesländern bestehen
inzwischen wieder etwa 50 Logen. Gegründet wurden sie
zunächst von Freimaurern aus den alten Bundesländern, die
dann nach und nach auch Männer aus den jeweiligen Städten
aufnehmen konnten. Sehr viel mehr als etwa 500 neue Mitglieder
dürfte die Freimaurerei in den neuen Bundesländern noch nicht
aufgenommen haben. Gleich nach der Wende spürte man, daß die
Menschen dort auch nach neuen geistigen Orientierungen suchten.
Inzwischen wurde dies jedoch vielfach durch näherliegende
materielle Sorgen überdeckt, und man wird abwarten müssen,
bis sich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse dort so verbessert
haben, daß jene Menschen sich noch mehr um immaterielle Dinge
kümmern können.
Allerdings läßt sich auch heute wieder erfreuliches
Interesse feststellen, wie Logenneu- oder -wiedergründungen in den
neuen Bundesländern beweisen. Generell ist es so, daß sich
Männer oft erst dann für die Freimaurerei interessieren, wenn
sie - meist nach Familiengründung und in etwa abgeschlossener
Berufskarriere - die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen.
Das heißt, daß sie sich meistens schon in einem etwas reiferen Alter befinden.
Wie wird man Freimaurer?
Wie erfährt man mehr über die Freimaurerei und wie wird man
ihr Mitglied? Die Adressen und Telefonnummern der meisten Logen findet
man im Telefonbuch (in Hannover sind es sieben von neun) . Fast alle
Logen halten monatlich einmal einen Gästeabend ab, zu dem
häufig auch Damen eingeladen sind. Das hat im wesentlichen zwei
Gründe: Erstens sind wir, obwohl wir keine Frauen in unsere Logen
aufnehmen, sehr interessiert daran, daß auch unter ihnen
mögliche falsche Vorurteile ausgeräumt werden und daß
sie die Freimaurerei und den Geist, der in unseren Logen herrscht,
kennenlernen. Dies ist, zweitens, auch deswegen wichtig, weil wir
niemand in eine Loge aufnehmen, dessen Frau oder Lebenspartnerin
dagegen ist. Wir möchten den Logenbeitritt nicht durch die
Stiftung von Unfrieden in Ehe oder Partnerschaft belasten. Und so
statten Brüder unseres Aufnahmeausschusses nach Eingang eines
Aufnahmeantrages dem Antragsteller zu Hause einen Besuch ab, bei dem
die Ehefrau oder Partnerin zugegen sein sollte, um ihres
Einverständnisses sicher zu sein.
Allerdings sei hier ausdrücklich bemerkt, daß der Besuch von
Gästeabenden der Logen keinen Gast in irgendeiner Weise zu irgend
etwas verpflichtet. Sobald aber jemand den Wunsch hat, Logenmitglied zu
werden, wendet er sich an ein ihm bekanntes Mitglied, dem er Vertrauen
schenkt. Dieses leitet dann das Aufnahmeverfahren in die Wege und
übernimmt gegebenenfalls auch die erforderliche Bürgschaft.
Die Bürgschaft hat keinerlei materielle Bedeutung, sondern stellt
die freimaurerische Begleitung des Interessierten von seiner
Antragstellung an bis zur Erreichung des Meistergrades sicher. Das neue
Mitglied kann sich in allen Fragen an seinen Bürgen wenden.
Mehr über Freimaurerei ist nicht nur, wie schon angedeutet, durch
das Ausleihen von Büchern in jeder größeren Bibliothek
zu erfahren. In Hannover gibt es den ,,Freimaurerischen
Bibliotheksverein''. Er ist bei der Landesbibliothek angesiedelt, die
den gesamten umfangreichen Buchbestand des Vereins von heute etwa 2.500
Titeln übernommen hat und als gesonderte Abteilung führt.
(nach oben)
(Abdruck mit Zustimmung des Verfassers Br. Waler Mehring - 1995)
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